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Lyrik & Musik / Vertonte Lyrik

Silicon Landscapes


Im Januar 2001 haben mich auf verschiedenen Ebenen Vorgänge fasziniert, wie die des Kristallisierens, Einfrierens, Gerinnens, Verfestigens, Verewigens teils willkürlicher Zustände, aber auch der so erst möglichen Manifestation neuer Gesetzmässigkeiten und Möglichkeiten auf einer anderen Ebene - ein Kristallgitter hat andere physikalische Eigenschaften als eine Flüssigkeit.

Und dies ist mitnichten ein Thema, welches nicht noch Freiräume für neue Erkenntnisse und Fragestellungen bereit hielte. Da gibt es zum einen die mittlerweilen auch einer grösseren Öffentlichkeit bekannten Quasikristalle. Was schon weniger Menschen wissen, ist, dass bei ihrer Konstitution in Penrose-Geometrie auch der Goldene Schnitt eine entscheidende Rolle spielt, das bereits in der Antike bekannte und angewandte harmonische Mass. Hier allerdings auf der Ebene der Kristallgitter, nicht bei der Architektur altgriechischer Tempelbauten!

Aber auch weit einfachere - sozusagen Allerwelts-Substanzen - haben es immer noch in sich!
So liegt der Gefrierpunkt für absolut reines Wasser bei -48,3° Celsius, man höre und staune.
Nun ist Wasser in der Regel mit Mineralstoffen und vielen anderen Stoffen "verunreinigt", die dann als sogenannte Kristallisationskeime den Phasenwechsel auslösen. In Wolken aber kann Wasser schon mal auch bei -40° Celsius flüssig sein ... .

Kristallisationen sind auch Phasenwechsel, hier ändern sich die Bedingungen eines Systems besonders dramatisch. Vor allem im Vergleich zum alltäglichen und soziokulturellen Leben und den Wechseln, denen es unterworfen ist, fand ich Bilder, wie die der Kristallisation, schon immer besonders stark, vieldeutig und damals - wie aktuell auch wieder - sehr zeitgemäss. Das war auch schon 1989 so in der Wendezeit.

Als ich die unten stehenden Gedichte 2001 geschrieben habe, war gerade die Zeit der New Economy Bubble - und mehr noch, ihre Zeit zu platzen. Die Ursachen und Folgen der damaligen Vorgänge wirkten als Finanzkrise 2007-2009 und nun als Schuldenkrise der Staaten insgesamt seit 2010 weiter fort.
Einen kleinen Seitwärtshaken kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen für alle, die das Thema Wirtschaft auch interessiert:
  
---> "Money - A chart of almost all of it, where it is, and where it can go"

Innovationen sind dabei trotz des Platzens der Blasen der durch sie ausgelösten Euphorie der Wertschätzung in der Lage, Neues zu hinterlassen, - meistens wird dabei aber erst einmal nur das Alte reinstalliert oder restauriert. Eine Zeit der Restauration erleben wir weltweit seit 2001, - trotz des bereits beginnenden Aufbegehrens vieler Menschen seit Anfang 2011.

In meinem 2001 entstandenen, zweiteiligen Gedicht mit dem Titel "Silicon Landscapes" ist es diese Gedankenwelt der Innovation und des Platzens ihrer Blasen, dieser Phasenwechsel, der Kampf des Alten mit dem Neuen und das Verwirbeln von Vision, Illusion und Utopie mit der gängigen Vorstellung der Wirklichkeit, der mich beschäftigt hat.

Ich komponierte damals jedenfalls mit dem Fraktal-Algorithmus-Programm "Musinum" von Lars Kindermann aus Erlangen einige Stücke, meistens nur den Midi-Piano-Sound nutzend um sie so möglichst klanglich kahl zu halten. Ein dreiteiliges Stück darunter, mit dem Namen "Iridium Landscapes", entstand als Vertonung meiner oben erwähnten Empfindungen und Gedanken zum Thema Kristallisierung. In der Musik ist das, was mich dabei beschäftigt hat, mehr die funkelnde Faszination der bizarren und gleichzeitig etwas düsteren Schönheit des Phasenwechsels aus einer Epoche in eine nächste: eben epochale Kristallisation.
In dem unten mit verlinkten Audio als Video habe ich die beiden Ebenen nun zusammen geführt. Die drei Musikstücke und darin eingebettet die zwei Teile des Gedichtes.


Silicon Landscapes


I.


..
...
.....
honig
gerinnt
zu sand
verschmilzt
zum siliziumfabrikblock
splits into microchips handies
verschmilzt
unterm weihnachtsbaum (leuchtende augen)
als community
(allerseelen incorporated)
gerinnt zu
everybody is a kunstwerk
everybody is a star but
fusioniert
zum anteil am human-optionsschein-projekt
(wo sind wir sterne hin
bei tagesbeginn?
wohin wir papierwert
wertpapier?)
- nun -
dein kurs
reagiert radioaktiv
techniker! soziales genie!
captured in
bernstein
insekt
ewig
.....
...
..





II.


...
....
...........
..................
an den strand
geschwemmt
gläubige
blind
am rande
der wüste NUN
selbsttreue körperwelten
kandiert konserviert in diesen
gelblicheren brocken beim sand
spekulanten auf vitrinen-ruhe
durchs honigfenster
spricht nun
für sich
augenschein
gläubiger spekulant
rentner emissionär
werft dem sand
euer gehör
vor
n
u
n
(wir
restlichen
sollen rieseln)
..................
...........
.......
....
...



7.1.2001





Arno Schlick   2011 

QR-Code zu diesem Gedicht:



Audio als Video zu diesem Gedicht
(als Vertonung mit den 3 Teilen des 
   Musikstückes 'Iridium Landscapes'):




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Seit April 2011 schreibe ich an einem guten Dutzend Elegien zum - im weitestgehenden - Thema Rom.
Auch hier bieten sich Vertonungen an.

Den Beginn habe ich dabei gesetzt, mit einem erst relativ spät im Zyklus entstandenen Gedicht, - vom Juli 2011. (Alle, die damals in Hammerschmiede dabei waren, wissen nun sicher, wie wenig es bedarf, um ein Gedicht zu schreiben. ;-) )

Dieses Gedicht vom 29.07.2011 habe ich mit einem Musikstück vom 15.12.1999 am 26.11.2011 zusammen gebracht, das Stück dazu heisst 'Human'.  (Die Komposition habe ich ebenfalls mit der Fraktal-Algorithmus-Software "Musinum" von Lars Kindermann aus Erlangen verwirklicht, es sind die ersten 96 Sekunden dieses - potentiell - unendlich langen Stückes, ...).



Teil 1 aus Shortcuts a Roma:



Der fränkische Einsiedler
(am Lachsenweiher bei Hammerschmiede)



… Schokoladensee nennen die Kinder den Weiher, sein Wasser:
            Sauber und braun zugleich! Karpfen durchwühlen den Grund. …
Zwanzig Jahre vergingen, seit hier ein Einsiedler lebte.
            Einsamkeit gab ihm den Raum Trauer zu füllen mit Sinn, –
Nichts mehr im Sinn mit der Menschheit, Grausamkeit und Gesellschaft. –
            Wind streichelt leise das Land, schützend deckt er das Haar. ...
Was dieser Mensch im Krieg erlebte, erlebten so viele!
            Zuversicht, plötzlich zerfetzt, flüchtig im Tod entspelzt:
Krieg und Verfall, Ermordung der Lieben vor seinen Augen. ...
            Nichts holte sie je zurück. … Einsamkeit gedenkt.
Unabhängig von der Bildung, die ihn ereilte,
            Traf ihn Geschichte ins Herz, machte ihn zu ihrem Teil.
Harmonie war ein Fremdwort, kein Mann von Vitruv half, das gute
            Klassische Menschenbild hatte ihn auch nicht erfüllt.
Nachts schöpft er – scheints – noch sein Wasser im Wald aus klarer Quelle:
            Frieden zu finden ist schwer, Einsiedlertum gibt ihn frei. ...
Unruhe hüllt diese Welt ein in Nebel aus wilden Gedanken,
            Unreif wie Vitriol. Schwerkraft klärt Wasser wie Herz. …
... Karpfen trüben den Weiher. Auf Suche nach lebendigem Futter
            Werden die Fische Symbol – Unruhe, ständig: „Obwohl!“




29.07.2011


Arno Schlick   2011 

QR-Code zu diesem Gedicht:



Audio als Video zu diesem Gedicht:





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